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Astronomie - ALMA entdeckt eine Kometenfabrik

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Neue Beobachtungen einer „Staubfalle” um einen jungen Stern lösen langjähriges Rätsel um die Entstehung von Planeten
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Ein Astronomenteam mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik in Garching und des Instituts für Theoretische Astrophysik am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg hat mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) eine Region um einen jungen Stern aufgenommen, in der Staubpartikel langsam anwachsen können, indem sie zusammenklumpen. Damit konnte eine solche Staubfalle erstmals eindeutig beobachtet und modelliert werden. Das lange Jahre ungeklärte Rätsel wie Staubteilchen in den Scheiben um junge Sterne zu größeren Objekten anwachsen können, aus denen schließlich Kometen, Planeten und andere Körper aus Gestein werden, konnte damit nun gelöst werden. Die Ergebnisse erscheinen am 7. Juni 2013 in der Fachzeitschrift Science.
Zwar wissen Astronomen mittlerweile, dass es Unmengen von Planeten um andere Sterne gibt, man versteht aber noch nicht vollständig, wie sie eigentlich entstehen. Auch viele Aspekte bei der Bildung von Kometen und anderen gesteinsartigen Objekten waren bislang ein Rätsel. Neue Beobachtungen, die die Leistungsfähigkeit von ALMA ausnutzen, können nun eine der wichtigsten dahingehenden Fragen beantworten: Wie schaffen es winzige Staubkörnchen in den Scheiben um junge Sterne immer größer zu werden – und schließlich zu Steinen oder sogar Felsbrocken von über einem Meter Durchmesser anzuwachsen?
Computermodelle lassen vermuten, dass Staubkörner wachsen, wenn sie zusammenstoßen und aneinander kleben bleiben. Wenn jedoch größere Staubkörner bei hohen Geschwindigkeiten miteinander kollidieren, werden sie oft wieder in kleine Stückchen zerschlagen und fangen somit wieder bei Null an. Aber selbst wenn das nicht passiert, zeigen Modelle, dass sich die größeren Staubkörner aufgrund der Reibung zwischen Staub und Gas in der Scheibe, in der sie sich befinden, schnell zu deren Zentrum bewegen und schließlich auf ihren Mutterstern fallen würden, so dass sie ebenfalls keine Chance hätten größer zu werden.
Der Staub braucht also eine Art sicheren Hafen, in dem Staubteilchen weiter wachsen können, bis sie groß genug sind, um weiter bestehen zu können [1]. Solche „Staubfallen” wurden zwar schon zuvor als Lösung vorgeschlagen, aber bislang gab es keine Beobachtungen, die ihre Existenz belegt haben.
Nienke van des Marel, eine Doktorandin an der Sternwarte in Leiden in den Niederlanden und Erstautorin des Fachartikels, in dem die neuen Ergebnisse präsentiert werden, hat zusammen mit anderen Astronomen mit ALMA die Scheibe in einem Sternsystem namens Oph-IRS 48 [2] untersucht. Das Team fand heraus, dass der Stern von einem Ring aus Gas mit einem Loch umgeben war, das vermutlich von einem unsichtbaren Planeten oder einem Begleitstern verursacht worden war. Frühere Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der ESO hatten bereits gezeigt, dass kleine Staubteilchen dort eine ähnliche Ringstruktur bilden. Doch die neuen ALMA-Aufnahmen von dem Ort, an dem die millimetergroßen Staubteilchen gefunden wurden, sah vollkommen anders aus.
„Wir waren wir von der Verteilung des Staubs auf dem Bild vollkommen überrascht”, erzählt van der Marel. „Anstatt des Rings, den wir erwartet hatten, sieht man die Form einer Cashewnuss! Wir mussten uns erstmal selbst davon überzeugen, dass diese Struktur auch wirklich echt ist. Das starke Signal und die Schärfe der ALMA-Aufnahmen lassen daran aber keinen Zweifel. Erst danach haben wir begriffen, was wir da entdeckt hatten.”
Bei dem Fund handelt es sich um eine Region, in der größere Staubkörner gefangen werden und durch Kollisionen und Aneinanderhaftenbleiben weiter wachsen können. Es handelt sich um eine Staubfalle – genau das, wonach die Theoretiker gesucht hatten.
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir auf eine Art Kometenfabrik schauen, da die Bedingungen dort im Moment gerade so sind, dass Staubteilchen von Millimeter- zu Kometengröße heranwachsen können. Es ist unwahrscheinlich, dass sich aus dem Staub bei dieser Entfernung vom Stern ausgewachsene Planeten bilden. Aber ALMA wird in naher Zukunft auch in der Lage sein, Staubfallen näher am Mutterstern zu beobachten, wo derselbe Mechanismus am Werk ist. Solche Staubfallen wären dann wirklich die Geburtsstätten von neuen Planeten”, erklärt van der Marel.
Eine Staubfalle entsteht, wenn größere Staubteilchen in Gebiete höheren Drucks wandern. Computermodelle haben gezeigt, dass solch ein Hochdruckgebiet durch die Bewegung des Gases am Rand einer Lücke entstehen kann – ähnlich wie jenes, das in der Scheibe beobachtet wird.
„Die Kombination aus Modellierung und hochqualitativen ALMA-Beobachtungen macht dieses Projekt einzigartig”, erläutert Cornelis Dullemond vom Institut für Theoretische Astrophysik am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg, Mitglied des Teams und ein Experte auf dem Gebiet der Staubentwicklung und der Scheibenmodellierung. „Etwa zur gleichen Zeit als diese Beobachtungen gemacht wurden, haben wir an Modellen gearbeitet, die genau diese Art von Strukturen vorhergesagt hat: ein sehr glücklicher Zufall also.”
Die Beobachtungen wurden durchgeführt, als ALMA sich noch im Aufbau befand. Das Team hat dazu den Band 9-Empfänger von ALMA genutzt [3] – in Europa hergestellte Geräte, die es ALMA ermöglichen seine bisher schärfsten Bilder zu erstellen.
„Diese Beobachtungen demonstrieren, dass ALMA selbst mit weniger als der Hälfte des vollen Ausbaus in der Lage ist, herausragende wissenschaftliche Arbeit zu leisten”, ergänzt Ewine van Dishoeck von der Sternwarte Leiden, die bereits 20 Jahre lang maßgebliche Beiträge zum ALMA-Projekt leistet. „Der unglaubliche Sprung in Band 9, sowohl in der Empfindlichkeit als auch bei der Schärfe der Bilder, gibt uns die Möglichkeit die grundlegenden Aspekte der Planetenentstehung auf eine Art und Weise zu untersuchen, die uns bislang verschlossen gewesen ist”
Endnoten
[1] Die Ursache für die Staubfalle, in diesem Fall ein Wirbel im Gas der Scheibe, hat eine typische Lebensdauer von mehreren Hunderttausend Jahren. Aber auch dann wenn die Staubfalle nicht mehr funktioniert, würde es merhere Millionen Jahre dauern, bis der angesammelte Staub sich wieder verteilen würde, was den Staubkörnern ausreichend Zeit verschafft, um zu wachsen.
[2] Der Name setzt sich aus dem Namen des Sternbilds, in dem das System in einer Sternentstehungsregiongefunden wurde, und der Art der Quelle zusammen. Dabei steht Oph für das Sternbild Ophiuchus (der Schlangenträger) und IRS für Infrarotquelle. Der Abstand von Oph-IRS 48 zur Erde beträgt etwa 400 Lichtjahre.
[3] ALMA kann Beobachtungen in verschiedenen Frequenzbändern durchführen. Band 9, das einem Wellenlängenbereich von etwa 0,4-0,5 Millimetern entspricht, ist der Modus, der bislang die schärfsten Aufnahmen liefert.  
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Diese Aufnahme vom Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) zeigt die Staubfalle im System Oph-IRS 48. Die deutliche Asymmetrie in der Emission des Staubes zwischen nördlichem und südlichem Teil der Scheibe (um mindestens ein Faktor 130) weist auf die Existenz der Staubfalle hin. Sie ist eine Art sicherer Hafen für die kleinen Steinchen in der Scheibe, wo sie so lange zusammenklumpen und wachsen können, bis sie groß genug sind, um alleine weiter bestehen zu können.
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Diese Aufnahme vom Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) zeigt die Staubfalle im System Oph-IRS 48. Die Staubfalle ist eine Art sicherer Hafen für die kleinen Steinchen in der Scheibe, wo sie so lange zusammenklumpen und wachsen können, bis sie groß genug sind, um alleine weiter bestehen zu können.
Die grüne Region zeigt, wo sich die größeren (millimetergroßen) Partikel befinden und stellt die Staubfalle dar, die von ALMA entdeckt wurde. Der orangene Ring zeigt, wo mit dem VISIR-Instrument am Very Large Telescope der ESO viel feinere (mikrometergroße) Staubteilchen beobachtet wurden. 
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Diese beschriftete Aufnahme vom Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) zeigt die Staubfalle im System Oph-IRS 48. Die Staubfalle ist eine Art sicherer Hafen für die kleinen Steinchen in der Scheibe, wo sie so lange zusammenklumpen und wachsen können, bis sie groß genug sind, um alleine weiter bestehen zu können. Die grüne Region zeigt, wo sich die größeren Partikel ansammeln. Der Durchmesser der Umlaufbahn des Neptuns ist oben links als Größenvergleich eingezeichnet.
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Quelle: ESO
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The proposed disk structure of Oph IRS 48. 
Quelle: NRAO
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