Blogarchiv
Astronomie - “Auriga”-Projekt enthüllt die Geschichte von Galaxien

18.06.2017

Die heutige magnetische Feldstärke. Die Stromlinien zeigen die Richtung der magnetischen Feldlinien an. (Credit: Robert J. J. Grand, Facundo A. Gomez, Federico Marinacci, Ruediger Pakmor, Volker Springel, David J. R. Campbell, Carlos S. Frenk, Adrian Jenkins and Simon D. M. White.)

Die heutige magnetische Feldstärke. Die Stromlinien zeigen die Richtung der magnetischen Feldlinien an.
(Credit: Robert J. J. Grand, Facundo A. Gomez, Federico Marinacci, Ruediger Pakmor, Volker Springel, David J. R. Campbell, Carlos S. Frenk, Adrian Jenkins and Simon D. M. White.)

Ein Forschungsteam unter der Leitung von HITS-Wissenschaftler Robert Grand erstellte 36 Simulationen von Milchstraßen. Das Team simulierte auf deutschen Supercomputern auch zum ersten Mal magnetische Felder, die das Gas und den Staub zwischen den Sternen durchdringen.

Siehe auch die Pressemitteilung der „Royal Astronomy Society“ 

Mit tausenden Prozessoren, mehreren Terabyte Daten und Monaten an Rechenzeit hat eine Gruppe internationaler Forscher in Deutschland die bisher größten und hochauflösendsten Simulationen von Galaxien wie unserer Milchstraße erstellt. Die Forschungsergebnisse des „Auriga“-Projekts unter der Leitung von HITS-Wissenschaftler Dr. Robert Grand sind jetzt in der Fachzeitschrift „Monthly Notices of the Royal Society“ erschienen. Sie wurden in einem Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs 881, „Das Milchstraßensystem“, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erzielt.

Um die Geschichte und Struktur des Universums zu verstehen, untersuchen Astronomen Galaxien mit Hilfe von Teleskopen und Simulationen und fügen ihre Ergebnisse zu einem großen Ganzen zusammen. Es wird davon ausgegangen, dass Spiralgalaxien, wie zum Beispiel unsere Milchstraße, aus mehreren hundert Milliarden Sternen sowie großen Mengen an Gas und Staub bestehen.

Galaxien wie unsere Milchstraße haben die Form einer Spirale. In ihrer Mitte befindet sich ein schwarzes Loch, das von älteren Sternen und sogenannten „Armen“ umgeben ist. Die Spiralarme der Galaxien erstrecken sich vom Zentrum aus nach außen, wo eher jüngere Sterne, wie unsere Sonne, zu finden sind. Wie diese Strukturen genau entstanden sind, ist eine Schlüsselfrage in der Erforschung des Kosmos.

Die immensen Größenskalen von Galaxien sowie die komplexe Physik, die für ihre Berechnung benötigt werden, gelten als die größten Herausforderungen bei der Simulation solcher Strukturen mit Hilfe von Computermodellen. So ist die Masse von einzelnen Sternen, die die „Bausteine“ von Galaxien darstellen, jeweils rund eine Billion mal kleiner als die Galaxie, in der sie sich befinden. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern vom HITS (Deutschland), der Durham University (Großbritannien), dem Max-Planck Institut für Astrophysik (Deutschland) und dem Massachusetts Institute of Technology (USA) hat sich diesem Problem angenommen.

Die Gruppe simulierte insgesamt 30 verschiedene Milchstraßen in hoher Auflösung, 6 davon sogar extrem hochaufgelöst, um noch mehr Details zu berücksichtigen. Die Simulationen liefen mehrere Monate lang größtenteils auf den deutschen Supercomputern „Hornet“/“Hazel Hen“ in Stuttgart und dem „SuperMUC“ in Garching und nutzten insgesamt rund 18 Millionen CPU-Stunden. Für die Simulationen verwendeten die Wissenschaftler den sogenannten „AREPO“-Code, der von HITS-Wissenschaftler und Gruppenleiter Prof. Volker Springel entwickelt wurde. Der Code ermöglicht die Simulation verschiedener Galaxien mit nie da gewesener Präzision und beinhaltet eines der bisher umfassendsten Physikmodelle auf dem Gebiet. So können mit dem „AREPO“-Code Phänomene wie Gravitation, Sternenentstehung, Gasströme und Supernova-Explosionen simuliert werden. Zum ersten Mal war auch die Simulation magnetischer Feldermöglich, die das sogenannte interstellare Medium zwischen den Sternen durchdringen. Außerdem wurden schwarze Löcher simuliert, die Gas um sich herum „aufsaugen“ und Energie in weit entfernte Teile der Galaxie hinausstoßen.

„Astronomen steht nun eine Fülle neuer Informationen zur Verfügung“

Eine Zusammenstellung von Simulationsbildern. (Links) Die Gasdichte in der Umgebung der Galaxie vor rund 10 Milliarden Jahren. Dargestellt sind die fadenförmigen Gasstrukturen, die die Galaxie im Zentrum versorgen. (Mitte) Aufsicht einer Gasscheibe zur heutigen Zeit. Klar zu sehen ist die charakteristische Spiralform der Galaxie. (Rechts) Seitenansicht derselben Gasscheibe in der heutigen Zeit. Kaltes Gas ist blau eingefärbt und warmes Gas in Grün. Heißes Gas ist rot markiert. (Credit: Robert J. J. Grand, Facundo A. Gomez, Federico Marinacci, Ruediger Pakmor, Volker Springel, David J. R. Campbell, Carlos S. Frenk, Adrian Jenkins and Simon D. M. White.)

Eine Zusammenstellung von Simulationsbildern. (Links) Die Gasdichte in der Umgebung der Galaxie vor rund 10 Milliarden Jahren. Dargestellt sind die fadenförmigen Gasstrukturen, die die Galaxie im Zentrum versorgen. (Mitte) Aufsicht einer Gasscheibe zur heutigen Zeit. Klar zu sehen ist die charakteristische Spiralform der Galaxie. (Rechts) Seitenansicht derselben Gasscheibe in der heutigen Zeit. Kaltes Gas ist blau eingefärbt und warmes Gas in Grün. Heißes Gas ist rot markiert.
(Credit: Robert J. J. Grand, Facundo A. Gomez, Federico Marinacci, Ruediger Pakmor, Volker Springel, David J. R. Campbell, Carlos S. Frenk, Adrian Jenkins and Simon D. M. White.)

Die Simulationen ergaben eine große Fülle physikalischer Daten  und  bieten hilfreiche Erkenntnisse für viele verschiedene Aspekte der Galaxienforschung: „Die Forschungsergebnisse des Auriga-Projekts liefern wichtige Informationen für andere Astronomen, etwa über die besonderen Eigenschaften von Satellitengalaxien oder die Verteilung der sehr alten Sterne im sogenannten ‚Halo‘, einem Lichthof, der die Galaxie umgibt,“ so HITS-Wissenschaftler Robert Grand. „Zusätzlich konnten wir die Entwicklung magnetischer Felder simulieren und untersuchen, wie diese das Gas in der Galaxie beeinflussen.“

Das Team fand insbesondere heraus, dass kleinere Galaxien in der frühen Entstehungsgeschichte mit der Milchstraßen-Galaxie verschmolzen sein könnten. Durch diesen Prozess kann eine größere Spiralgalaxie entstehen.

„Damit eine Spiralgalaxie wachsen kann, benötigt sie eine beträchtliche Versorgung mit Gas zur Sternenentstehung. Kleinere, gasreiche Galaxien, die in unsere Galaxie hineinfielen, liefern genau das,“ so Grand weiter.

In einem zweiten Schritt werden die Wissenschaftler die Forschungsergebnisse des Auriga-Projekts mit Beobachtungsdaten, wie denen der Gaia Mission vergleichen. Dadurch wollen sie besser verstehen, wie diese Verschmelzungen die Entstehung unserer und anderer Galaxien bestimmt haben.

Publikation:

“The Auriga Project: The Properties and Formation Mechanisms of Disc Galaxies Across Cosmic Time,” Robert J. J. Grand et al., 2017 May, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, vol. 467, pp. 179-207 [https://academic.oup.com/mnras/article-lookup/doi/10.1093/mnras/stx071, preprint: https://arxiv.org/abs/1610.01159].

Quelle: HITS, Heidelberger Institut für Theoretische Studien

2646 Views
Raumfahrt+Astronomie-Blog von CENAP 0