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Astronomie - Die gewaltsame Entstehung von Scheibengalaxien

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Neue ALMA-Beobachtungen erklären warum milchstaßenähnliche Galaxien im Universum so häufig vorkommen

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Jahrzehntelang glaubten Wissenschaftler, dass die Verschmelzung von Galaxien normalerweise zur Entstehung von ELLIPTISCHEN Galaxien führt. Nun haben Forscher zum ersten Mal mit Hilfe von ALMA und einer Reihe weiterer Radioteleskope einen direkten Beweis dafür gefunden, dass kollidierende Galaxien stattdessen Scheibengalaxien hervorbringen können, und dass dieser Ausgang in der Tat recht häufig ist. Dieses überraschenden Ergebnis könnte erklären, warum es im Universum so viele Spiralgalaxien wie die Milchstraße gibt.
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Junko Ueda, einem promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter der Japan Society for the Promotion of Science, hat die überraschende Beobachtung gemacht, dass die meisten Zusammenstöße von Galaxien im nahen Universum – innerhalb von 40-600 Millionen Lichtjahren von der Erde – zu sogenannten Scheibengalaxien führen. Scheibengalaxien – einschließlich Spiralgalaxien wie der Milchstraße und linsenförmiger Galaxien – zeichnen sich durch ihre Pfannkuchenform mit Gebieten aus Gas und Staub aus und unterscheiden sich von der Klasse der elliptischen Galaxien.
Schon einige Zeit lang herrschte die Meinung vor, dass kollidierdende Scheibengalaxien letzten Endes ellipsenförmige Galaxien bilden. Während dieser heftigen Wechselwirkungen nehmen die Galaxien nicht nur an Masse zu, während sie miteinander verschmelzen beziehungsweise einander auffressen, sondern ändern ihre Form und damit auch ihren Typ auf kosmischen Zeitskalen.
Computersimulationen aus den 1970ern zufolge würden Kollisionen zweier vergleichbarer Scheibengalaxien in einer elliptischen Galaxie resultieren. Nach diesen Simulationen müssten die meisten heutigen Galaxien ELLIPTISCH sein, was der Beobachtung dass 70% der Galaxien aber in Wirklichkeit Scheibengalaxien sind widerspricht. Neuere Simulationen deuten allerdings darauf hin, dass solche Kollisionen auch Scheibengalaxien hervorbringen können.
Um die letztendliche Form von Galaxien nach Verschmelzungen durch Beobachtungen zu ermitteln, hat das Team die Verteilung von Gas in 37 Galaxien untersucht, die sich in ihrer letzten Verschmelzungsphase befinden. Mit dem Atacama Large Millimeter/sub-millimeter Array (ALMA) und einigen weiteren Radioteleskopen [1] wurde die Emission von Kohlenstoffmonoxid (CO) untersucht, einem Indikator für molekulares Gas.
Die Arbeit dieser Gruppe stellt die bislang größte Untersuchung molekularen Gases in Galaxien dar und liefert einzigartige Einblicke in die Art und Weise, wie die Milchstraße entstanden sein könnte. Ihre Studie enthüllte, dass fast alle Galaxienverschmelzungen in pfannkuchenförmigen Gebiete molekularen Gases resultieren und es sich daher um Scheibengalaxien in der Entstehung handelt. Ueda erklärt: „Zum ersten Mal gibt es beobachtbare Nachweise für verschmelzende Galaxien, die zu Scheibengalaxien werden könnten. Das ist ein großer und unerwarteter Schritt zur Lösung des Rätsels um die GEBURT von Scheibengalaxien.”
Nichtsdestotrotz gibt es noch viel mehr zu entdecken. Ueda ergänzt: „Wir müssen anfangen uns auf die Sternentstehung in diesen Gasscheiben zu konzentrieren. Außerdem müssen wir in das weiter entfernte Universum hinausblicken: Wir wissen, dass die meisten Galaxien im ferneren Universum ebenfalls Scheiben besitzen. Wir wissen jedoch noch nicht, ob Galaxienverschmelzungen auch dafür verantwortlich sind oder ob sie durch kaltes, in die Galaxie einfallendes Gas entstanden sind. Vielleicht haben wir einen allgemeinen Mechanismus gefunden, der für die gesamte Geschichte des Universums gilt.” 
Endnoten
[1] Die folgenden Teleskope waren an den Beobachtungen beteiligt: ALMA, das Combined Array for Research in Millimeter-wave Astronomy: eine Anordnung von 23 parabolischen Antennenschüsseln in Kalifornien, die im Millimeterwellenbereich beobachtet; das  Submillimeter Array: eine Anordnung von acht parabolischen Antennenschüsseln in Mauna Kea auf Hawaii, das im Submillimeterbereich beobachtet; das Plateau de Bure Interferometer; das  NAOJ Nobeyama Radio Observatory 45-Meter-Radioteleskop; das National Radio Astronomy Observatory 12-Meter-Teleskop der USA; das Five College Radio Astronomy Observatory 14-Meter-Teleskop der USA; das 30-Meter-Teleskop des IRAM und ergänzend das Swedish-ESO Submillimeter Telescope.
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Jedes der bunten Objekte in diesem Bild stellt eine von 30 verschmelzenden Galaxien dar. DIE KONTUREN in den einzelnen Galaxien stellen die Verteilung von Kohlenstoffmonoxid dar, während die Farbe die Gasbewegung repräsentiert. Gas, das sich von uns entfernt, erscheint rot, wohingegen blau das Gas anzeigt, das sich auf uns zu bewegt. Die Konturen zusammen mit den Übergängen von rot zu blau stellen eine Gasscheibe dar, die um das Galaxiezentrum rotiert.
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Quelle: ESO
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